Liebe Leserinnen und Leser,
Rochus zeigt gern Bein. Der Heilige Rochus zeigt gern sein Bein. Auf vielen Bildern, die ihn zeigen oder bei Figuren, die ihn darstellen, lupft er sein Beinkleid. Zum Vorschein kommen so die Pestbeulen an seinen Beinen. Über den Heiligen Rochus, der im 13. und 14. Jahrhundert in Frankreich und in Italien gelebt hat, wird erzählt, dass er sich bei einer Wallfahrt nach Rom, als er unterwegs Menschen gepflegt hat, die an der Pest erkrankt waren, selbst infiziert hat. Sein selbstloser Einsatz wurde ihm zum Verhängnis. Er verstarb an der Pest. So wurde er zu dem „Pest-Heiligen“ schlechthin. In Pest- und Seuchenzeiten riefen ihn die Menschen, um Schutz und Hilfe an – auch bei uns in Olpe. Die Rochuskapelle unterhalb des Friedhofs legt davon Zeugnis ab. Bis zum Schutzgitter ist sie tagsüber geöffnet und lädt zu Gebet und stiller Betrachtung ein.
Rochus zeigt Bein. Er macht sichtbar, wohin ein selbstloser Einsatz an den Kranken führen kann. In diesen Tagen setzen sich Menschen, die in Krankenhäusern, in Arztpraxen, in Apotheken sowie in Senioren- und Pflegeeinrichtungen arbeiten, größter Gefahr aus, wenn sie sich den Kranken, Alten und Hilfsbedürftigen annehmen. Nehmen wir sie ganz besonders mit in unser Gebet. Die Erzählung über die Lebensgeschichte des Heiligen Rochus ist alt und nicht frei von Legendenbildung. Gleichwohl ist sie derzeit, völlig unerwartet, sehr aktuell.
Rochus zeigt Bein. Mal den unwahrscheinlichen Fall angenommen, dass wir eines Tages in Bildern gemalt oder als Figuren dargestellt würden, die uns z. Zt. der Coronakrise 2020 zeigen. Was wäre zu sehen ? Menschen mit einem Mundschutz, um darzustellen, dass wir uns darum bemüht haben, andere Menschen nicht zu gefährden ? Menschen mit einem Smartphone in der Hand, um zeigen, dass wir mit Hilfe des Internets versucht haben, dass alltägliche Leben aufrechtzuerhalten und soziale Kontakte zu pflegen ? Schön wäre es, wenn es später Darstellungen und Bilder gäbe, die Frauen und Männer im Arztkittel, als Pflegende oder als Forschende für einen Impfstoff zeigen würden. Auch Bilder und Darstellungen, die Menschen als Supermarktkassiererinnen oder als LKW-Fahrern identifizieren hätten was. Was unsere Nachkommen aber gewiss nicht sehen möchten, sind Abbildungen von Menschen mit mehreren Packungen Toilettenpapier in der Hand.
Pace e bene
Michael Kammradt